Auf den Spuren der Nomaden

Die Gastfreundschaft

Die Gastfreundschaft gehört zu den unumstösslichen Grundwerten der Nomadenvölker. Einem Fremden gegenüber zeigen sie sich zwar erst zurückhaltend und abwartend, aber stets auch neugierig. Vermag dieser ihr Vertrauen zu gewinnen, öffnen sie ihm ihre Zelte und laden ihn ein an ihre Feuerstelle.

Für eine Frau ist es hier häufig unkomplizierter. Ihr gegenüber tauchen viele Vorurteile erst gar nicht auf, die Begegnung ist spontaner, die Nomaden sind viel zugänglicher. In Begleitung einer Frau darf man auch eher das Innere eines Zeltes betreten, was sonst nicht so einfach ist. Und nicht selten wird man auch zum Essen eingeladen. Ist ein guter Dolmetscher dabei, erfährt man bei dieser Gelegenheit viel über das Leben der Gastgeber, ihre Gewohnheiten, ihre Bedürfnisse und Nöte. Und immer wieder kreist das Gespräch um die Generationenprobleme, die das Vorrücken der westlichen Zivilisation auslöst.

Das offene Feuer, über dem die Mahlzeiten zubereitet werden, gehört zu den schönsten Erinnerungen an solche Abende. Die Kochstelle liegt in der Regel gleich neben dem Eingang zum Haupt- oder, wenn vorhanden, Küchenzelt. Normalerweise benützen die Nomaden Jahr für Jahr denselben Sommerweideplatz, und das Zelt wird immer am selben Ort aufgeschlagen.

Entsprechend sorgsam sind die Kochstellen ausgebaut, werden sie doch über Jahre hinweg benützt und immer wieder ausgebessert. Meist findet man eine kleine und eine grosse Feuerstelle vor, mit Steinen aufgebaut und von einer niedrigen Einfassung aus Lehm oder flachen Steinen gerahmt. Der Dreifuss für die Kochtöpfe, das runde Blech zum Brot backen und der Samowar für die Teezubereitung stehen in unmittelbarer Nähe. In vielen Zelten ist sogar ein Küchengestell vorhanden, wo Pfannen, Geschirr, Besteck, Gläser, Flaschen, Gewürze etc. aufbewahrt werden. Jede Familie hat auch eine Feuerstelle im Freien, die bei schönem, windstillem Wetter benutzt wird. Wenn man heute immer häufiger auch einen modernen Gaskocher antrifft, hat das nur in zweiter Linie mit Bequemlichkeit zu tun. Die Beschaffung von Brennholz ist für die Nomaden ein unlösbares Problem geworden. Die Zelte stehen im Sommerlager oberhalb der Baumgrenze, und der tiefergelegene Wald ist oft im Besitz des Staates oder von Privaten. In den letzten Jahren ist man sich in der Türkei bewusst geworden, dass die sorglose Nutzung des Waldes gravierende Folgen wie Erdrutsche oder Überschwemmungen haben kann. Deshalb werden die Wälder heute gepflegt, bewirtschaftet und wieder aufgeforstet. Es dürfen nicht mehr wie früher einfach Bäume abgeholzt werden. Brennholz wird zwar zum Kauf angeboten, der Preis ist jedoch für viele nicht zahlbar.

Die Nomaden ernähren sich recht einfach: Reis, Weizen, Kartoffeln, Gemüse, Butter und Käse sowie Fladenbrot sind ihre Grundnahrungsmittel. Fleisch gibt es nur selten, wenn ein Schaf oder eine Ziege wegen einer Verletzung oder Krankheit geschlachtet werden muss. Selbst dann haben aber viele Mühe, das Fleisch des geliebten Tieres zu essen. Viele Familien halten Hühner auf der Sommerweide, deshalb sind Eierspeisen nicht selten. Ein besonderer Leckerbissen ist der Honig, den die Nomaden selber gewinnen, denn jedes Yayla hat eigene Bienenvölker. Geht jemand ins Tal, bringt er vom Markt frisches Gemüse (Tomaten, Gurken, Auberginen), Früchte (Äpfel, Trauben, Melonen) und süsses Gebäck mit – Dinge, die auch als Gastgeschenke sehr geschätzt werden.

Als Besucher werden wir meistens mit Fladenbrot, gefüllt mit Kräutern und Käse, empfangen. Dazu gibt es Tee, gesüssten Kaffee oder heisse Schafsmilch mit Honig. Angeregte Gespräche, die Klänge einer Hirtenpfeife, die Geschichten der Vorfahren, gemeinsam verlebte Stunden in der Einsamkeit des Hochgebirges – und allmählich begreifen wir die tiefere Bedeutung der Gastfreundschaft.

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