auf den spuren der nomaden

Abwechslung im Leben der Nomaden

Es war schön, im Frühsommer bei den Yürük Nomaden im Torosgebirge zu Besuch zu sein. Wir konnten dem täglichen Arbeitsgeschehen rege zusehen. Von aussen betrachtet, folgt das Leben der Nomaden einem klar strukturierten Tagesablauf. Jeder Tag, so scheint es, gleicht dem andern.

Achmed Dudakkle lebt mit seiner Grossfamilie im Sommer auf dem Yayla «Pelik Ardic» (zu deutsch: wenig Nadelbäume) auf 2600 m.ü.M. auf einer Hochebene südöstlich vom 3480 m hohen Aydos. Wir sind von Nordwesten her über recht unwegsames Gebiet per Zufall zu diesem eindrücklichen, aus sechs Zelten bestehenden Yayla gestossen. Bei der Ankunft freuen wir uns, anstelle des üblichen Tees einen guten gesüssten Kaffee als Willkommenstrank offeriert zu bekommen. Es ist interessant, dass mit der Wasserscheide des Torros auch die Sitten, Gebräuche, Zelt- und Lebensformen sowie die Ess- und Trinkgewohnheiten ändern.

Als wir gemütlich vor dem Zelt auf einem «Adana Yürük» Teppich sitzen – Edip, unser Reisebegleiter und Übersetzer, ist bemüht, unsere Fragen und die der Yürüken zu beantworten – schnellen die grossen Kangal Hunde auf und rennen einem Kombi Renault entgegen. Achmed hat Mühe, sie zu beruhigen. Erst als er den Neuankömmling, den Wanderhändler Ismail, begrüsst hat, beruhigen sie sich.

Plastikzeug gegen Honig

Ich staune nicht schlecht, als Ismail kurz nach seiner Ankunft die Hecktüre des Renault öffnet und und folgende Artikel grossflächig auf dem Boden ausbreitet: maschinengewobene Teppiche aus Belgien, Plastikgefässe in jeder Grösse, Werkzeuge, Geschirr, Waffen, Verbandszeug, Medikamente, Decken, Lebensmittel wie Reis, Zucker, Kaffee und Salz. Billigen Schmuck wie Glasperlen, Broschen und goldfarbene Armringe legt er auf ein spezielles Tuch. Für die Kleinen hat Ismail Spielzeug aus Plastik mitgebracht.

 

Einige Produkte, die Ismail anzubieten hat, sind bei der Familie willkommen. Die Kinder dürfen auch eine Kleinigkeit auslesen. Der Preis wird ausgehandelt. Ismail hätte gerne den «Adana Yürük» an Zahlung genommen! Achmed wehrt sich aber heftig und offeriert ihm stattdessen einige Kessel Torros-Honig. Nach langem Hin und Her, begleitet von einer zusätzlichen Runde Kaffee, ist Ismail bereit, den Honig als Zahlung entgegenzunehmen.

Zu Gast über Nacht

Der Tag ist schon recht fortgeschritten. Achmed lädt uns deshalb ein, die Nacht bei ihm und seiner Familie zu verbringen. Eines der Zelte wird für uns mit Schlafmatten ausgelegt und bereitgestellt. Ein einfaches fleischloses Nachtessen sowie einige Gläser Tee in fröhlicher Runde beenden diesen recht eindrucksvollen Tag.

Die Begegnung mit dem «Hausierer» Ismail hat mir gezeigt, wie beschwerlich doch das Leben der Nomaden in der Abgeschiedenheit der Hochtäler, weitab von jeglicher Zivilisation, ist. Wenn in meinem Haushalt etwas fehlt, ist es mir möglich, binnen nützlicher Frist für Ersatz zu sorgen. Achmed dagegen muss mehr als 80 km beschwerlichen Weg mit Pferd oder Traktor auf sich nehmen, um Güter für den täglichen Bedarf einzukaufen.

Sicher ist dies eine willkommene Abwechslung, wenn er nach Silifke, Karapinar oder in eine andere in seiner Nähe liegende Ortschaft reitet. Doch seine Präsenz wird im Yayla (Sommerweide) sehr benötigt; eine mehr als dreitägige Abwesenheit ist fast nicht zu verantworten.

Fahrende „Warenhäuser“

Einige Händler aus der Region Konya nützen diese Versorgungsmängel aus. Mit gut dotierten Verkaufwagen fahren sie periodisch nach einem bekannten Fahrplan so nahe wie möglich zu den Yaylas. Ihre Auslagen gleichen einem Warenhaus im Kleinen. Fast alles Mögliche und Unmögliche ist dort zu haben.

Abgelegene, mit Fahrzeugen nicht erreichbare Weiden werden von Kleinhändlern mit Pferden und Mauleseln besucht. Diese Besuche sind für die Nomaden meist ein Festtag. Ich konnte einmal einem solchen Markttag auf der Weide beiwohnen. Die Händlerinnen und Händler – sie hatten ihre Satteltaschen mit allen möglichen Gütern vollgestopft – wurden von den kaufenden Yürücken richtig umlagert.

Menschliche Zeitungen

Die Verkäufer sind für die Nomaden auch Vermittler von Informationen. Das Neuste aus dem Tal, aus der Stadt, aus Politik und Wirtschaft können sie von ihnen erfahren. Selbst die Post wird auf diese Art überbracht.

 

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