auf den spuren der nomaden
Der Tod - die Beerdigung
In all den bisherigen Berichten über die Nomaden erzählte ich über das Leben, die Sitten und Gebräuche der Nomaden. Wie die Geburt und die Hochzeit hat aber auch der Tod im Leben der Nomaden einen bedeutenden Stellenwert.
Diesen Januar fuhr ich mit meinen iranischen Freunden in ein abgelegenes Hochtal 150 km westlich von Schiras um Nomadenfriedhöfe zu besuchen. Mit einiger Mühe konnten wir mit unserem Toyota die schneebedeckten Pässe überwinden. Die Dorfbevölkerung in diesem Hochtal ist sehr gastfreundlich und hilfsbereit. Bereitwillig haben sie auf meine Fragen geantwortet. Im Laufe dieses Tages kamen doch einig Informationen zusammen, welche ich hier weitergeben möchte.
Stirbt ein Mitglied eines Nomadenstammes werden als erstes die engsten Familienmitglieder über den Tod informiert. Der Leichnam wird im nahe gelegenen Bach oder an der Quelle gewaschen und anschliessend in ein weisses Tuch gehüllt und in seinem Zelt aufgebahrt. Als erstes besuchen die engsten Familienmitglieder den Verstorbenen. Alle Mitglieder eines Nomadenzeltdorfes kommen anschliessend aus ihren Zelten, von den Weideplätzen und beginnen mit der Trauerzeremonie. Sie bilden einen grossen Kreis um das Zelt des Verstorbenen und bewegen sich rundum in stiller Andacht.
Der Tote muss nun innert den nächsten vierundzwanzig Stunden zu Grabe getragen werden.
Nun ist es sehr wichtig welche Stellung der Verstorbene innerhalb der Sippe - des Stammes hatte. War er ein Anführer sogar ein Khan so wird sein Körper zu einem Friedhof gebracht in welchem ein Imam Zadeh (Heiliger) beerdigt ist. Je höher seine Stellung in der Gesellschaft war, je näher wird er beim Grab des Imam Zadeh beerdigt.
Die Waffe auf das Pferd
Die Nomaden ohne besondere Stellung werden wenn möglich zu einem Friedhof getragen, welcher auf der Achse ihrer Wanderrute liegt.
Die Trauergemeinde begleitet nun den Toten zum Friedhof. Das Pferd des Verstorbenen wird mit einem schwarzen Tuch gedeckt. Als Schmuck und Symbol bindet man die Waffe und ein Kleidungsstück des Verstorbenen auf den Rücken seines Pferdes.
Richtung Mekka begraben
Hat der Trauerzug den Friedhof erreicht, führt ein Mitglied der Familie das Pferd einmal um das Grab des Imam Zadeh oder um den Friedhof. Jetzt kann der Tote in das vorbereitete Grab gelegt werden. Der Leichnam wird mit den Füssen Richtung Mekka beerdigt. Die Trauernden singen nun abwechslungsweise die Männer und die Frauen ein traditionelles Trauerlied mit gleichzeitigem hin und her Bewegen des Körpers. Die Stimmen der Frauen ist dabei viel lauter als diejenige der Männer.
Ein des Lesens Kundiger liest einige Verse aus dem Koran. Das Grab wird nun zugedeckt und mit je einem Stein am Kopf- und Fussende beschwert.
In der Nacht besuchen die nächsten Verwandten das frische Grab erneut und stellen eine brennende Laterne und Kerzen hin. Alle weinen, sprechen Gebete. Süssigkeiten dürfen dabei aber nicht fehlen. Die Witwe des Verstorbenen schneidet bei dieser Feier oft ihre Haare ganz kurz ab und legt die Abgeschnittenen über einen Ast, der aufs Grab gelegt wird. Dies als Schmuck wie eine Blume und für sich als Erinnerung an ihren Mann.
Nach genau sieben Tagen treffen sich die Trauernden erneut um des Toten zu gedenken. Zu dieser erneuten Trauerfeier haben nun alle die Möglichkeit zu erscheinen, auch diejenigen welche von weit her kommen, um des Toten zu gedenken. Die Geladenen erscheinen mit Geschenken, in der Regel mit Schafen, Geld oder Blumen. Alle Gäste sind zu einem Essen eingeladen welches beim Zelt des Verstorbenen offeriert wird. Gemeinsam besucht die Trauergemeinde dann anschliessend das Grab.
Nach vierzig Tagen findet erneut eine Trauerfeier in kleinerem Rahmen statt.
Der Stein der Erinnerung
Beim Betreten eines Friedhofes fällt einem sofort auf, dass der Friedhof mit Steinen verschiedenster Formen belegt ist. Da gibt es solche mit Zeichnungen, Inschriften, Jahreszahlen, Gedichten. Die meisten Steine aber sind Namenlos. Einige haben nur ein Stammeszeichen eingemeisselt.
Darunter fallen aber doch einige markante Steine auf: Da ist ein Löwe mit einem auffälligem Schnauz. Diese Skulptur erzählt uns recht viel über den Verstorbenen. Er muss ein Führer und grosser Jäger der Sippe gewesen sein mit sehr viel Kraft und Ausstrahlung, dargestellt durch den Steinbock den er bezwungen hat. Weiter steht das Todesdatum 1364 (1944) sein Name ist Shahriyar und er war ein Kind von Yunisberg der Gallehzan Nomaden.
Für immer auf die Reise
Auf der rechten Huft des Löwen steht ein Gedicht mit folgendem Wortlaut: Es ist schade, dass die Seele meinen Körper verlassen hat, dass die Stimmen der Vögel für mich verklungen sind. Mein Bruder, meine Schwester ich bin auf einer Reise von welcher ich nie mehr zurückkomme.
Dort ist ein Stein auf welchem eine Gaschgai Frau eingemeisselt ist. Der Text auf der rechten Seite gibt Auskunft über den Namen der verstorbenen Gaschgai Frau und ihres Stammes, auf der linken Seite das Todesdatum 1364 im 29. Ramadan. Diese Frau stammte von einer reichen Gaschgai Familie und ist jung gestorben.
Es war schon recht spät als wir den nicht ungefährlichen Rückweg über die Pässe nach Shiraz antraten. Die beiden Friedhöfe, die wir besucht haben, beschäftigten mich während der ganzen Fahrt, ja sogar bis weit in den nächsten Morgen hinein.