Auf den Spuren der Nomaden

Auf meinen Reisen im Torosgebirge auf den Hochebenen über 2700 m.ü.M. habe ich ganz unterschiedliche Formen in der Haltung von Schafen und Ziegen beobachtet. Vor allem zum Melken der grossen Herden mit hundert und mehr Tieren haben die Frauen interessante Methoden entwickelt.

Die Herde ist das kostbarste Gut und die Lebensgrundlage der Nomaden. Sie bedeutet den Menschen viel mehr als nur Nahrung oder Einkommensquelle. Gesunde Tiere garantieren Freiheit und Unabhängigkeit. So wird der Tages- rhythmus der Yürüken im Toros von der Pflege der Tiere, dem Melken und der Nahrungssuche bestimmt. Ohne Tiere bestünde kein Grund zur Wanderung und die Menschen könnten einer sesshaften Tätigkeit nachgehen. Die Nomaden essen selten Fleisch und schlachten ein Tier nur, wenn es alt oder krank ist. Ausnahme sind Schlachtopfer wie am Kurbam (Opfertag). Da wird zu Ehren des Propheten Abraham ein Schaf geschlachtet. Die ganze Familie freut sich schon Tage zum voraus über das willkommene Festessen. Das Fleisch, das nicht gegessen wurde, wird anschliessend in schmale Stücke geschnitten und zum Trocknen an den Zeltschnüren aufgehängt.

Die Tiere bestimmen auch das Ansehen der Nomaden. So werden Schafe und Ziegen nicht miteinander gehalten. Der Schafhalter steht höher im Ansehen als der Ziegenyürüke mit seinen schwarzen Tieren kara kecili. Es gibt vermischte Herden, aber ich habe nur wenige gesehen. Auf meinen Reisen im Tarosgebirge auf den Hochebenen über 2700 m.ü.M. habe ich ganz unterschiedliche Formen in der Haltung von Schafen und Ziegen beobachtet. Vor allem zum Melken der grossen Herden mit hundert und mehr Tieren haben die Frauen interessante Methoden entwickelt.

Wie wissen denn die Frauen, dass sie in der quirligen wolligen oder haarigen Menge wirklich jedes Tier gemolken haben?

Im Yayla Kisil Tepe (roter Hügel) kennen die Frauen zum Beispiel ihre Tiere beim Namen und rufen jedes zum Melken zu sich. Da sie nach einer bestimmten immer gleich bleibenden Reihenfolge vorgehen, wissen sie genau, wann sie alle Schafe gemolken haben.

Im Yayla Dalgin Yurdu (Heimat des Abwesenden in Gedanken) werden die Schafe in einem speziell gebauten Gehege aus Ästen und Steinen gemolken. Alle Schafe werden hineingetrieben und einzeln nach dem Melken wieder hinausgeschickt. Diese Methode wird vor allem bei grösseren Herden von mehr als hundert Tieren angewendet. Im Yayla Söbüceoua (schmal und lang) werden alle Tiere Kopf an Kopf aneinander gebunden und werden so der Reihe nach gemolken. Das gemolkene Tier darf davon springen, während die anderen ungeduldig am Seil zerrend, in Reih und Glied warten müssen. Die gleiche Methode wird im Yayla Böllük Ardic (Baumplatz) mit Ziegen angewandt.

Nach dem Melken, das einen grossen Teil des späten Nachmittags in Anspruch nimmt, geht der Hirte, begleitet von seinem grossen, zottigen Hirtenhund, welcher die Herde zusammenhält, mit den Tieren auf die Weide. Er ist jede Nacht und bei jedem Wetter unterwegs. Da auf dieser Höhe von 3000 Metern die Temperatur in der Nacht um mehr als 20 Grad sinkt, trägt der Hirte einen Kepenek, einen grossen Umhang aus Filz zum Schutz vor der empfindlichen Kälte und dem Tau. Beim Rasten spielt er auf seiner selbstgefertigten Rohrflöte wehmütige Melodien. Dieser einsame sehnsüchtige Klang während einer Vollmondnacht in den Bergen des Toros gehört zu meinen schönsten Erinnerungen.

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