Auf den Spuren der Nomaden
Turkmenen, Yürüken, Kurden - Yurte und Zelt
Während man bäuerliche Lebensweise noch hinreichend studieren und somit Rückschlüsse auf vergangene Jahrhunderte ziehen kann, stößt man von Jahr zu Jahr auf grössere Schwierigkeiten, will man nomadische Lebensforformen in Anatolien kennenlernen.
Nur die wenigsten Menschen, die man heute auf dem Zuge mit ihren Herden und Tragtieren oder in ihren Zelten antrifft, sind noch Vollnomaden. Ihre ZahI ist mit dem Kampf des Staates gegen das ZeIt, der schon mit der ersten türkischen Staatsgründung auf kleinasiatischem Boden seinen Anfang genommen hat, mit der konsequenten Flurteilung, dem Pachtzwang und dem Anwachsen der Dörfer nur noch mit einigen Tausend zu bemessen, und die Tage sind gezählt, bis auch die letzte Familie die Zucht von Schafen und Ziegen auf der Wanderung und das Zelt als Behausung aufgeben muss.
Nomadische Lebensweise in der Türkei trifft man heute noch bei den Kurden Ost- und Südostanatoliens sowie bei den Yürüken an, die sich aber aus dem zentralanatolischen Hochland fast ganz in die Taurusgebirge und deren benachbarte Niederungen zurückgezogen haben. Besonders die Zahl der yürükischen Nomaden hat rapide abgenommen.
Die Veränderung ihrer Lebensgrundlagen hat die stolzen Wanderhirten und ihre Familien in einen langwierigen Anpassungsprozess mit vielerlei Übergängen gedrängt, so dass der alte Gegensatz zwischen Nomaden und Sesshaften kaum noch erlebbar ist.
Bei meinen mehrmaligen Besuchen des Taurus konnte ich in Bezug auf die Zeltformen der noch halbnomadisierenden Yürüken bemerkenswerte Beobachtungen machen. Die Yürükenzelte auf der nördlichen Seite des Taurus unterscheiden sich wesentlich von denen der Südseite: Das Zelt ist aus dunklem Ziegenhaar, in Bahnen gewebt. Ziegenhaar ist ein sprödes Material, das nicht verfilzt und daher luftdurchlässig bleibt, sodass der Rauch des Herdfeuers entweichen kann und kein Hitzestau entsteht. Bei Feuchtigkeit quillt das Ziegenhaar und dichtet ab. Innen werden die Zeltbahnen durch drei Zeltstangen gestützt. Senkrechte Teile, ebenfalls aus Ziegenhaar und bis zu 150 cm hoch, setzen unterhalb der breiten Gibelbahn an, so dass der Eindruck eines "Hauszeltes" entsteht. Leider ersetzen die Yürüken
defekte Bahnen nicht mehr. Plastik und Plachen dienen heute als Ersatz. Die Yürüken der nördlichen Seite begnügen sich pro Familie mit einem Zelt, es dient sowohl als Schlaf - Wohn und Küchenzelt. Die Innenausstatung ist sehr spärlich.
Nicht weit vom Eingang liegt die rechteckige Feuerstelle die von einer niedrigen Einfassung aus Steinen gerahmt wird. Töpfe und Pfannen stehen griffbereit, zusammen mit Blech und Dreifuss zum Brotbacken. Entlang den Wänden befindet sich das Gepäck (Säcke, Decken Sattel und Saumzeug usw.), ordentlich aufgestappelt auf einem niedrigen Steinsockel, der die Feuchtigkeit abhält. Der Boden im hinteren Teil des Zeltes ist mit einem Filz, Flachgewebe oder Teppich belegt und dient zur Bewirtung von Gästen und zum Schlafen.
Die Zelte der Yürüken auf der südlichen Seite des Toros sind in ihrem Aufbau ganz anders. Das Gerüst aus gebogenen Weidenstreben dessen angespitzte Enden sich in den Boden bohren. Bedeckt wird das yurtenänliche Zelt mit Gewebe aus Ziegenhaar, braunen Filzen und neuerdings auch mit Plachen und Plastik. In der Regel hat jede Grossfamilie zwei bis drei Zelte (Woh- Küchen- und Gastzelt).